Die Politik stellt sich selbst ein Bein

Bis 2012 boomte die Photovoltaik, eine komplette Wertschöpfungskette entstand, Deutschland war Weltmarktführer. Dann brachte die große Koalition den Solarmarkt und im Jahr 2018 den Windmarkt zum Einbruch, vernichtete 80.000 Arbeitsplätze. Sie verfehlte die Klimaziele für 2020 massiv und formulierte umso ambitioniertere Ziele für 2030, einem Jahr wo keine der handelnden Personen mehr in der Verantwortung stehen wird.

Der derzeitige Bundeswirtschaftsminister brauchte ein Jahr, den Deckel von 50 Gigawatt aufzuheben. Im Windbereich bildet er Gremien mit 50%
WindkraftgegnerInnen, obwohl alle Umfragen zeigen, dass in der Bevölkerung über 80% für einen weiteren Ausbau der Windenergie an Land sind – Ergebnis: plötzlich sollen Anlagen einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Gebäudeensembles ab 5 Häusern einhalten. Damit wäre praktisch jeglicher Ausbau der Windenergie gestoppt.

Doch wir brauchen im Gegenteil eine enorme Steigerung: Eine Studie des Fraunhofer Clusters CINES vom Mai 2020 hat untersucht, wie viel Ausbau von Erneuerbaren nötig ist, um die Klimaziele des Pariser Abkommens von 2015 und der Bundesregierung für 2050 zu erreichen: „Das bedeutet, dass mittelfristig ein Bruttozubau von jährlich 7,5–10 Gigawatt Wind- und Photovoltaikkapazitäten nötig sein wird. Mit dem derzeit deutlich geringeren Ausbau lassen sich die Klimaziele nicht erreichen.“ 2019 lag der Zubau für Wind unter 1 Gigawatt, für Photovoltaik bei knapp 2 Gigawatt.

Wir haben den Eindruck, alle wollen das Klima schützen – aber es soll sich nichts ändern. Dazu werden oft fadenscheinige Argumente herangezogen. Beispiel Finanzsektor: Nach der Finanzkrise, bei der Banker Milliarden bewegten und vernichteten wurden neue – sinnvolle – Verschärfungen für das Investmentbanking aufgestellt. Doch die gleichen, administrativ sehr aufwändigen Auflagen wurden auch für lokale Bürgerenergiegenossenschaften verpflichtend gemacht, bei denen es um wenige 100.000 Euro geht. Ergebnis: Diese demokratische Version der Energiewende ist praktisch zum Erliegen gekommen.

Beispiel Kosteneffizienz: Weil die Windenergiekosten in Süddeutschland höher sind als im Norden, bekommen diese Anlagen bei Ausschreibungen kaum noch den Zuschlag. Man „vergisst“ dabei aber die zusätzlichen Kosten und Energieverluste durch den Stromtransport vom Norden in den Süden. Ökologisch sinnvoll wären dezentrale Strukturen, wo Erzeugung und Verbrauch räumlich beieinander liegen. Stattdessen werden Offshore-Anlagen gefördert, die praktisch nur die vier großen Energieversorger finanzieren können und deren Strom doppelt so teuer ist, wie der Windstrom an Land. Dazu kommen die Schwierigkeiten, neue Nord – Süd Stromtrassen durchzusetzen.

In beiden Fällen gilt: Die Kleinen werden gehängt, die Großen lässt man laufen.

Es gilt also, enorme Aufklärungsarbeit zu leisten und zu verhindern, dass die Politik sich selbst weiter ein Bein stellt auf dem Weg zu einer klimafreundlichen, ökologisch wie ökonomisch nachhaltigen Energieversorgung. Dazu will die Ecovision auch in Zukunft ihren Beitrag leisten.

Juli 2020